Klimaschutz im Hochbau: Keine Frage der Kosten

Mittwoch, 14.05.2025

Neue Kurzstudie untersucht die Lebenszykluskosten und Klimawirkung von Wohngebäuden

Wie teuer ist nachhaltiges Bauen wirklich? Diese Frage stand im Zentrum einer aktuellen Untersuchung der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) und des Buildings Performance Institute Europe (BPIE). Die Analyse von 28 DGNB-zertifizierten Wohngebäuden zeigt: Eine klimagerechte, lebenszyklusoptimierte Bauweise führt nicht zwangsläufig zu höheren Investitionen. Vielmehr kommt es auf frühzeitige Planung und die Berücksichtigung der gesamten Nutzungsdauer eines Gebäudes an. 

Realitätscheck mit zertifizierten Wohngebäuden 

Die Datengrundlage der Studie bilden ökobilanzierte Neubauten, die im Rahmen einer DGNB-Zertifizierung errichtet wurden. Ziel war es, den Zusammenhang zwischen Baukosten, CO₂-Emissionen und Zertifizierungsniveau realer Projekte zu untersuchen. Die Ergebnisse zeigen: Weder bei den Herstellungskosten noch beim Verhältnis von Baukosten zur Zertifizierungsstufe lassen sich klare Korrelationen feststellen. Selbst Gebäude mit hoher Auszeichnungsstufe – etwa Platin – verursachten in einigen Fällen geringere Kosten als Projekte mit niedrigeren Zertifizierungsgraden. 

Planungsschritte mit Blick auf den gesamten Lebenszyklus 

Deutlich wird auch, dass sich bei jüngeren Projekten die Bedeutung der Nutzungskosten im Vergleich zur Bauphase erhöht hat. Entsprechend empfiehlt die Studie, nicht nur auf die Erstellungskosten zu achten, sondern die langfristigen Betriebskosten mit einzubeziehen. Ebenso konnte beobachtet werden, dass Gebäude mit geringen CO₂-Emissionen im Betrieb tendenziell nicht teurer in der Errichtung sind – in einigen Fällen sogar günstiger. 

Relevanz grauer Emissionen rückt stärker in den Fokus 

Ein weiteres zentrales Ergebnis betrifft die Verteilung der Emissionen über den Lebenszyklus. Während bei älteren Bauten der größere Teil der Klimawirkung durch den Betrieb entsteht, verschiebt sich bei neueren Gebäuden der Fokus zunehmend auf die baubedingten Emissionen. Im Durchschnitt entfallen dort bereits rund 50 % der Gesamtemissionen auf die Konstruktion. Entscheidende Stellschrauben zur Reduktion dieser sogenannten grauen Emissionen liegen laut Studie in der Wahl der Bauweise und der Materialien des Tragwerks. 

Empfehlungen für Baupraxis und Politik 

Die Verfasser der Kurzstudie formulieren mehrere Handlungsempfehlungen: Eine lebenszyklusbasierte Betrachtung sollte bereits in frühen Planungsphasen erfolgen – insbesondere im Hinblick auf Umweltwirkungen und Nutzungskosten. Zudem betont die DGNB die Notwendigkeit, das Know-how im Bereich der Gebäudeökobilanzierung in Planungsbüros und Bauunternehmen rasch auszubauen. 

Auch die Politik wird adressiert: Angesichts der Einführung des EU-weit geltenden Null-Emissionsstandards für Neubauten ab 2030 wird empfohlen, lebenszyklusbezogene Regularien frühzeitig zu verankern. Internationale Erfahrungen aus Ländern mit bereits eingeführten Standards sollten in diesen Prozess einbezogen werden. Beteiligungsformate und Austauschplattformen könnten helfen, die Umsetzung breiter zu verankern. 

Einordnung der Ergebnisse 

„Kaum ein Vorurteil hält sich im Bau- und Immobilienbereich so hartnäckig, wie die Annahme, dass eine nachhaltige, klimagerechte Bauweise teuer ist“, erklärt Dr. Christine Lemaitre, Geschäftsführender Vorstand der DGNB. „Genau dem wollten wir mit der Kurzstudie eine valide Diskussionsgrundlage auf Basis realer Projektdaten entgegensetzen. Dass die unabhängige Untersuchung belegt, dass dieser Behauptung das faktische Fundament fehlt, ist eine gute Nachricht. Es ist absolut möglich, mit niedrigen Kosten Gebäude zu errichten und zu betreiben, die geringe CO₂-Emissionen verursachen und ein sehr gutes Zertifizierungsergebnis erzielen.“ 

Dr. Anna Braune, Abteilungsleiterin Forschung und Entwicklung der DGNB, ergänzt: „Auch wenn aktuell in Deutschland unter dem Schlagwort der Entbürokratisierung die Klimaschutzanforderungen im Bauen und die Dringlichkeit ihrer Umsetzung punktuell in Frage gestellt werden, wird die durch die EU vorgegebene Richtung trotzdem bleiben. Mit der Kurzstudie haben wir gezeigt, dass der angeblichen Mehrkosten-Argumentation die Grundlage fehlt. Vielmehr geht es um gute Planung und den Willen, nachhaltige Gebäude mit möglichst geringer Klimawirkung zu errichten.“ 

Oliver Rapf, Executive Director des BPIE, hält fest: „Die Studien-Ergebnisse kommen genau zum richtigen Zeitpunkt! Sie sollten Mut machen, nun ambitioniert die EPBD-Vorgaben zur Offenlegung und Lebenszyklus-THG-Grenzwerten frühzeitig umzusetzen. Damit kann Deutschland die Chancen der Lebenszyklusperspektive voll ausschöpfen – fürs Klima und für die Industrie.“ 

Weitere Veröffentlichungen und Zugriff 

Die Untersuchung „Lebenszyklusbasierte Betrachtung von Gebäuden“ ist die dritte Kurzstudie, die DGNB und BPIE gemeinsam publiziert haben. Frühere Studien beschäftigten sich unter anderem mit den Klimawirkungen von Sanierungen sowie der Relevanz und den Kosten von Gebäudeökobilanzen. Alle Auswertungen sind hier online verfügbar.

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