Biologisches Bauen mit System

Mittwoch, 30.04.2025

Der Pavillon Growing Matter(s) von Henning Larsen untersucht kreislauffähige Architektur auf Myceliumbasis

Zwischen wachsender Ressourcenknappheit und dem Bedürfnis nach ästhetischer Erneuerung wächst das Interesse an alternativen, bio-basierten Baustoffen. Mit dem Pavillon Growing Matter(s) präsentierte Henning Larsen gemeinsam mit dem Politecnico di Milano zur diesjährigen Milan Design Week ein Experiment zum architektonischen Einsatz von Mycelium – als strukturgebender Bestandteil eines temporären, rückbaubaren Raumgebildes.

80 Sphären aus Mycelium

Zentrales Element des Pavillons sind 80 kugelförmige Myceliumkörper, gezüchtet aus organischen Substraten wie Hanf, Mehl, Zucker, Biertreber und zwei Pilzstämmen – Pleurotus Eryngii und Pleurotus Ostreatus. Einige der Sphären wurden aktiv getrocknet, andere bewusst lebendig belassen. Die daraus entstehende Vielfalt in Textur und Form ist Resultat mikrobiologischer Prozesse, nicht formaler Gestaltung.

Die Konstruktionsidee verzichtet bewusst auf Gleichförmigkeit: Mycelium wächst unter dem Einfluss von Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Substratbedingungen in unvorhersehbarer Weise – ein Umstand, der klassische architektonische Konventionen wie Maßhaltigkeit, Reproduzierbarkeit und Oberflächenglätte infrage stellt.

Temporär, biologisch, vollständig rückbaubar

Der Pavillon als Ganzes versteht sich als kreislauffähige Raumstruktur. Neben dem biologisch abbaubaren Hauptmaterial sind auch die Gerüstkonstruktionen modular geplant, geliehen und für die Demontage ausgelegt. Nach Ende der Ausstellung soll die Struktur vollständig zurückgebaut und wiederverwendet werden.

Alle Elemente lassen sich so am Ende ihres Lebenszyklus entweder zersetzen oder neu einsetzen. Das Projekt wird damit zum realen Versuch, wie sich biologische Baustoffe mit temporärer Architekturpraxis verbinden lassen – ohne konventionelle Additive oder energieintensive Bearbeitung.

Materialästhetik jenseits des Perfekten

Growing Matter(s) setzt dabei nicht auf das Verbergen des biologischen Ursprungs, sondern betont ihn bewusst. Unregelmäßigkeiten, Schrumpfungen und Farbunterschiede werden nicht kaschiert, sondern verstanden als Ausdruck eines lebenden, wandelbaren Systems. Der Pavillon verweigert damit gestalterische Kontrolle im herkömmlichen Sinn – und eröffnet zugleich neue Erzählräume für Materialität und Baukultur.

Kontext und Kooperation

Das Projekt entstand in Zusammenarbeit mit dem Material Balance Research Lab des Politecnico di Milano. Unterstützt wird es durch die Ramboll Foundation, die mycelium production wurde durch Spore.nl realisiert, die Projektleitung und Sponsoringkoordination lag bei RIMOND, das Gerüstengineering übernahm Di Falco srl.

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